Kerstin Jung

Die Wegbegleiterin für Tiere und ihre Menschen

Medical Training / Die Akzeptanz medizinischer Aktivitäten erlernen

Medical Training bezeichnet die Zusammenarbeit mit dem Tier, mit dem Ziel alltägliche medizinische Aktivitäten sicher durchführen zu können und gleichzeitig das Tier nicht massiv einzuengen oder zu zwingen. Das Tier muss diese Aktivitäten nicht lieben, aber wir streben eine Akzeptanz an.

Beispiele wären die orale Eingabe von Medikamenten, das Berühren an allen Körperstellen (für Untersuchungen), Fieber messen, Abhören (Herz, Lunge, Darm), in die Augen, Ohren und ins Maul schauen dürfen, Krallenpflege / Hufpflege, evtl. auch das Spritzen von Medikamenten.

 

Wenn ich etwas erreichen möchte, was hinterher keinen schalen Beigeschmack hat, muss ich dabei dem Tier Raum geben. Ich lasse ihm den Freiraum, in seinem Tempo zu gehen und zu lernen. Ich zerlege die Aktivität in kleine Schritte, so dass das Tier es aushalten kann. Ich beobachte das Tier bei jedem winzigen Schritt genau und fühle mich ein, damit ich merke, wenn ich es an eine Grenze bringe oder überfordere. Ich habe sozusagen, dass Ziel im Blick. Was mir hier hilft, ist mir immer wieder vor Augen zu führen, dass es immens wichtig ist, wenn das Tier sich gut untersuchen und therapieren lässt. Es ist wichtig für seine Gesundheit sowie für die Gesundheit und Unversehrtheit der Therapeuten und des Besitzers. Ein Therapeut wird entspannter und zugewandter arbeiten können, wenn er nicht ständig intensiv auf seine Sicherheit achten bzw. um diese fürchten muss.

Daher ist es auch wichtig, das Medical Training dann anzugehen, wenn gerade keine Eingriffe (was auch immer gefürchtet wird, z.B. Spritzen, Blut abnehmen, Wurmkur geben) anstehen.

Wenn es Probleme im Umgang mit dem Tier bei bestimmten medizinischen Aktivitäten gibt und medizinische Maßnahmen anstehen, müssen wir für den Moment schützende Maßnahmen für den Therapeuten akzeptieren (beim Pferde üblicherweise die Nasenbremse).

Das sollte uns nicht davon abhalten, hinterher zu schauen, wo wir den Trainingsfaden wieder aufnehmen können, und dort weiter machen.

Jeder erinnert sich vielleicht an bettelnde Hunde am Tisch. Auch wenn das Beispiel vielleicht ein kleines bisschen hinkt, könnt ihr es euch mit dem Medical Training so ähnlich vorstellen. Wenn ich möchte, dass mein Hund aufhört am Tisch zu betteln, dann muss ich daran arbeiten (und alle beteiligten ebenso) und beharrlicher sein als mein Hund. Und dran bleiben und mich nicht beirren lassen, ruhig bleiben, auch nach Misserfolgen weitermachen, bis ich mein Ziel erreicht habe.

Als Bild für das, was passiert, seht ihr ein Zonen-Modell fürs Lernen und für den Umgang mit Veränderungen (siehe das Bild, erstellt für den Menschen, gilt für unseren Tiere ebenso). Hier wurde die Fragestellung untersucht, wie am besten gelernt wird.
In der Komfort-Zone sind wir zu Hause und fühlen uns wohl (wie auf dem heimischen Sofa). Hier lernen wir nicht, hier genießen wir das Sein, ruhen uns aus, erholen uns.
Dann gibt es die Stretch-Zone. Wir probieren etwas Neues aus oder etwas bekanntes auf eine neue Art und Weise. Zum Beispiel, wenn wir regelmäßig schwimmen gehen im heimischen Bad, aber nun im Urlaub sind und noch nie in dem Schwimmbad aus dem Urlaubsort waren. Wir kennen uns auf der einen Seite gut aus und wissen einiges bereits (wir werden Eintritt bezahlen müssen, es wird irgendwo Umkleiden geben, dann Duschen, und dann geht es ins Bad. Auf der anderen Seite wissen wir nicht, wo genau die Umkleiden sind, sind es vielleicht gemischt Umkleiden, Gruppenumkleiden, wo sind die Schränke, braucht man einen Euro oder zwei Euro oder 50 Cent für den Schrank oder geht es mit dem Eintrittsarmband, wo genau geht es zu den Duschen, direkt aus den Umkleiden oder muss ich einen allgemeinen offenen Bereich queren, gibt es einen Fön oder muss ich einen mitbringen… So, es macht mich vielleicht ein bisschen nervös, aber ich weiß, dass ich das ohne Hilfe schaffen kann. Und wenn ich es geschafft habe, bin ich stolz und kann es wiederholen, denn ich war bewusst unterwegs und habe mir alles Wichtige merken können!
Vielleicht wird es noch etwas aufregender und ich bin im Urlaub im Ausland. Ich spreche die Sprache nicht, kann nicht lesen was dort steht, weiß nicht wie die Gepflogenheiten sind, eventuell zieht man sich auch beim Duschen nicht komplett aus und wenn ich das mache, ist es ein Affront? Hier hole ich mir dann vielleicht jemanden zu Hilfe oder versuche vorher mehr zu verstehen. Ich muss mir klar machen, dass ich vielleicht in die Stress-Zone rutsche und dann ziemlich verzweifelt sein werde.
In der Stretch-Zone kann ich lernen, Neues ausprobieren. In der Stress-Zone verändert sich meine Wahrnehmung und ich kann die Situation vielleicht nicht mehr objektiv einschätzen. Ich bekomme einen „Tunnel-Blick“ und bin nur noch eingeschränkt zurechnungsfähig.
Wenn ich nun vielleicht in einer fremden Stadt unterwegs bin, erst frohgemut, ich und mein Stadtführer-Buch, es ist ein bisschen aufregend, aber ich fühle mich wohl. Und dann dämmert es langsam, und ich merke, ich bin irgendwo falsch abgebogen, ich weiß auch mit Stadtplan nicht mehr wirklich, wo ich bin. Und merke, wie ich langsam Angst bekomme, dass ich nicht zum Hotel zurückfinde, ich merke, wie mein „Ich erforsche die Stadt alleine“-Optimismus hinfort rieselt. Es wird dunkler. Es scheint keinen Bus oder eine Metro zu geben. Vielleicht nehme ich jetzt wahr, dass die Gegend etwas heruntergekommen wirkt. Die Leute, denen ich begegne, identifizieren mich klar als „Touristin“. Als leichtes Opfer? Panik steigt in mir auf. Wenn mich nun jemand anspricht, wahrnehmend, dass ich fremd bin, in der guten Absicht, mir zu helfen, kann es sein, dass ich trotzdem panisch reagiere… In der Panik-Zone regiert mein Kleinhirn über meine Aktionen. Es geht um mein Leben, das muss verteidigt werden… Ich bin nicht mehr in der Lage, klar zu denken, oder mich zu regulieren.

Wie uns Menschen geht es auch den Tieren in diesen verschiedenen Zonen.

 

Bild: Zonen-Modell

Im Medical Training bin ich außerhalb der Komfortzone, denn das Tier in seiner Sicht der Welt, braucht das was ich da will nicht. Meistens ist es auch etwas unangenehm oder sogar schmerzhaft… Im Training muss ich nun darauf achten, in der Stretch-Zone zu arbeiten. Es kann sein, dass ich auch mal einen Fuß in die Stress-Zone strecke, aber ich muss genau darauf achten, nicht in die Panik-Zone zu kommen.

Mein Trainingsansatz für das Medical Training ist in etwa wie folgt:
– was ist das Ziel – mit dem Besitzer festzulegen
– zerlege das Ziel in so kleine Schritte, dass das Tier aus der Komfortzone in die Stretchzone kommt, ohne dass ich es überfordere und es mir eventuell direkt in die Panik-Zone rutscht und es sich dann sicher ist, um sein Leben kämpfen zu müssen (Flight / Fight / Freeze / Fiddle around – Flüchten / Kämpfen / Einfrieren / in alternative Aktivitäten ausweichen)
– führe die Übungen regelmäßig durch (2 bis 3 mal in der Woche), in kurzen Zeitsequenzen
– gehe Schritt für Schritt und reflektiere wo du stehst und ob etwas an dem Trainingsansatz geändert werden muss
– akzeptiere Rückschläge und lerne daraus
– mache es bei Erfolg lange genug und immer mal wieder hinterher, um es zu festigen
– behalte das Ziel immer im Auge und gleichzeitig gehe in jede Trainingseinheit erwartungslos
– schaue wie weit du heute gehen kannst (es kann gleich sein, weiter sein oder weniger sein) und akzeptiere das, frage das Tier jedes Mal wie weit kannst du heute mit mir mitgehen, halte den Raum und gebe ihm Freiraum seinen eigenen Weg zu finden
– sei gleichzeitig klar und unterscheide gut in welcher Haltung das Tier sich heute befindet (es kann nicht, es will nicht, es weiß nicht was erwartet wird oder es hat diese zugewandte gemeinsame Art des Weges nie kennengelernt, …)
– entscheide, dass das Ziel wichtig ist und nicht die Zeit bis wir das Ziel erreicht haben
– informiere den Besitzer und hilf ihm den Prozess zu verstehen und kleine Fortschritte wahrnehmen zu können
– sei besonders umsichtig bei Tieren, die in Bezug auf die Aktivität ein Trauma erlebt haben

Sei beständig, sei beharrlich und mache auch nach einem Misserfolg weiter!

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